Kobudo im Gendai Goshin (現代護身古武術)

Geschichte und Herkunft


Das Gendai Goshin Kobujutsu gehört zu den modernen Strömungen innerhalb der japanischen und okinawanischen Kampfkunstwelt, die Tradition und Gegenwart miteinander verbinden. Schon der Name selbst verdeutlicht die Ausrichtung: „Gendai“ bedeutet „modern“ oder „zeitgenössisch“, „Goshin“ steht für „Selbstverteidigung“ und „Kobujutsu“ bezeichnet die klassischen Waffenmethoden, die aus Okinawa und Japan stammen.

Zusammengenommen beschreibt der Begriff also ein System, das die historischen Waffen des Kobudō in ein modernes, anwendbares und pädagogisch strukturiertes Training für Selbstverteidigung und Persönlichkeitsentwicklung überführt.

Die Ursprünge des Gendai Goshin Kobujutsu liegen in der Entwicklung des Kobudō nach dem Zweiten Weltkrieg. Während in Okinawa die klassischen Waffen wie Bō, Sai, Tōnfa oder Kama
in alten Meisterlinien weitergegeben wurden, entstand im Zuge der Globalisierung ein Bedürfnis, diese Inhalte für eine breitere Öffentlichkeit zu erschließen. Viele Karateka suchten nach einer Erweiterung ihres Trainings, um über die waffenlosen Techniken
hinauszugehen. So wurde das Studium der Kobudō-Waffen in moderne Systeme integriert, die einerseits die historische Substanz bewahrten, andererseits aber methodisch aufbereitet wurden.

Das Gendai Goshin Kobujutsu steht exemplarisch für diesen Weg. Es behält die klassischen Waffen bei, strukturiert deren Erlernen jedoch in einem klaren Prüfungsprogramm. Ziel ist es, die Waffen nicht isoliert zu betrachten, sondern sie als aufeinander aufbauende Stufen zu lehren. Bis zum 3. Kyū sollen die Schüler alle grundlegenden Waffen kennengelernt haben, ehe sie in den Dan-Graden eine Spezialisierung und Vertiefung wählen können.

Dabei orientiert sich das Gendai Goshin Kobujutsu stark am pädagogischen Gedanken. Während das klassische Kobudō oft sehr lehrerzentriert und individuell vermittelt wurde, setzt die moderne Ausrichtung auf systematisches Lernen. Kata, Partnerübungen und
Technikstufen sind so abgestimmt, dass Schüler Schritt für Schritt nicht nur Bewegungen erlernen, sondern auch Verständnis für Prinzipien entwickeln. Dies spiegelt den Wandel wider, der nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen Budō-Stilen stattfand: Tradition sollte
bewahrt, aber zugleich für eine neue Generation zugänglich gemacht werden.

Im Gendai Goshin Kobujutsu stehen die Waffen Hanbō, Bō, Tōnfa, Sai und Kama im Zentrum.

Diese Auswahl verbindet verschiedene Kategorien: Stabwaffen, Schneidwaffen und Schlagwaffen. Jede dieser Waffen vermittelt nicht nur eigene Techniken, sondern auch grundlegende Prinzipien des Budō. Wer sie alle trainiert, erlangt ein umfassendes Verständnis für Distanz, Timing, Rhythmus und Körpermechanik. Damit ist das Gendai Goshin Kobujutsu ein „Studium der Vielfalt“, das Karateka wie auch reine Kobudōka gleichermaßen anzieht.Das Besondere liegt auch im Namen: Kobujutsu bedeutet „alte Kriegskünste“, Goshin
„Selbstverteidigung“. Die Kombination mit „Gendai“ stellt klar, dass es sich nicht um museale Traditionspflege handelt, sondern um eine lebendige, zeitgemäße Ausrichtung. Ziel ist nicht, Techniken der Vergangenheit nachzustellen, sondern deren Prinzipien in ein modernes Trainingssystem zu überführen.

Im Vergleich zu klassischen Schulen wie dem Ryūkyū Kobudō oder dem Jinbukan zeigt sich der Unterschied darin, dass das Gendai Goshin Kobujutsu nicht nur eine Meisterlinie bewahrt, sondern offen für systematische Struktur ist. Wo klassische Stile sehr stark von der
Persönlichkeit eines Meisters geprägt waren, sucht das Gendai nach einer Didaktik, die für breite Schülergruppen funktioniert. Damit ist es weniger exklusiv, dafür aber zugänglicher und pädagogisch klarer gegliedert.

Training im KKD

Im Kobudo Kwai Deutschland (KKD) ist das Gendai Goshin Kobujutsu die prägende Basis des gesamten Waffenprogramms. Jeder Schüler, der in den Verband eintritt und Kobudō erlernt,
beginnt zunächst mit diesem Stil. Es ist das Fundament, auf dem alle weiteren Spezialisierungen aufbauen.

Das Prüfungsprogramm sieht vor, dass bis zum 3. Kyū alle fünf Hauptwaffen erlernt werden:

Hanbō, Bō, Tōnfa, Sai und Kama. Jede dieser Waffen vermittelt spezifische Inhalte:

• Der Hanbō als kurze Distanzwaffe lehrt Griffwechsel, Handwechsel und den Umgang mit Schwungebene.
• Der Bō als lange Stabwaffe bildet mit seinen acht Grundschlägen das Fundament für Reichweite und Distanzkontrolle.
• Die Tōnfa als Doppelwaffe schult das beidhändige Arbeiten, Rotationen und die Fähigkeit, mit beiden Händen unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen.
• Die Sai als schwere Doppelwaffe vermittelt Kontrolle, das Einklemmen von Waffen und den Gedanken, Stärke ohne Tödlichkeit einzusetzen.
• Die Kama schließlich fordert mit Schnitt- und Stoßtechniken größte Präzision und Verantwortungsbewusstsein im Training.


Diese Vielfalt garantiert, dass Schüler ein ganzheitliches Verständnis entwickeln. Sie lernen nicht nur Waffenführung, sondern auch Distanzgefühl, Timing, Körpermechanik und geistige Haltung. Im Prüfungsaufbau ist bewusst berücksichtigt, dass gerade die Doppelwaffen (Tōnfa, Sai, Kama) schrittweise eingeführt werden, um die koordinative Entwicklung zu unterstützen.

Das Training im KKD verbindet dabei Tradition und Moderne. Kata wie Bō Shodan, Sai Shodan oder Kama Shodan sind an die klassischen Formen angelehnt, werden aber so vermittelt, dass Schüler schrittweise zu höherer Komplexität geführt werden.

Partnerübungen (Kumite)machen die Waffentechniken lebendig und lassen die Schüler erleben, wie die Bewegungen im Ernstfall wirken könnten.

Ein wesentlicher Aspekt ist die enge Verbindung zum Karate. Viele Mitglieder des KKD kommen aus dem Karate und finden im Gendai Goshin Kobujutsu eine wertvolle Ergänzung.

Die Waffen schulen Bewegungen, die auch ohne Gerät relevant sind: Hüfteinsatz, Timing, Ganzkörperkoordination. Damit öffnet das Gendai die Perspektive, über den Tellerrand des Karate hinauszublicken und die eigene Kampfkunst zu vertiefen.
Philosophisch betont das Gendai Goshin Kobujutsu die Verantwortung im Umgang mit Waffen. Jede Technik wird unter dem Aspekt der Selbstverteidigung betrachtet, nicht des Angriffs. Der Respekt vor der Waffe, vor dem Partner und vor der Tradition bildet die Grundlage. Dies ist nicht nur ein sportlicher, sondern auch ein ethischer Anspruch.

Im KKD dient das Gendai Goshin Kobujutsu daher als Herzstück der Ausbildung. Es vermittelt Breite bis zum 3. Kyū und öffnet danach die Tür für Spezialisierung. Schüler können sich in den Dan-Graden tiefer mit einzelnen Waffen beschäftigen, sie in Perfektion erarbeiten und
neue Kata erschließen.

Die Konsequenz ist ein System, das gleichzeitig Vielfalt und Tiefe bietet. Gendai Goshin Kobujutsu ist damit nicht nur eine Stilart unter vielen, sondern die „Muttersprache“ des Kobudo Kwai Deutschland. Wer sie lernt, legt das Fundament für lebenslanges Training, für
technisches Verständnis und für eine Haltung, die Budō im besten Sinne verkörpert: Respekt, Verantwortung und die Freude an der Bewegung.

Die Philosophie des Gendai Goshin Kobujutsu


Das Gendai Goshin Kobujutsu ist weit mehr als ein System aus Techniken und Prüfungen. Es ist eine Schule der Haltung, ein Spiegelbild dessen, wie Kampfkunst im 21. Jahrhundert
gelebt werden kann. Der Kern des Systems liegt in der Verbindung von Tradition und Moderne. Einerseits werden klassische Waffen aus Okinawa und Japan weitergegeben,
andererseits wird dies in ein modernes, didaktisch klar gegliedertes Training eingebettet.

Diese Symbiose vermittelt eine Botschaft: Respekt vor der Vergangenheit, Verantwortung in der Gegenwart, und Offenheit für die Zukunft.

Ein zentrales philosophisches Prinzip ist das Bewusstsein für Verantwortung. Wer mit Waffen trainiert, lernt unmittelbar, dass jede Bewegung Konsequenzen hat. Anders als im
waffenlosen Karate, bei dem Fehler oft folgenlos bleiben, zeigt sich im Kobudō sofort, wenn die Haltung nicht stimmt oder die Kontrolle fehlt. Der Hanbō kann den Partner treffen, die Kama birgt in der Vorstellung immer die Gefahr einer scharfen Klinge, die Sai kann durch ihr Gewicht verletzen. Diese Unmittelbarkeit schult Achtsamkeit und Disziplin. Der Schüler begreift, dass Technik immer auch Verantwortung bedeutet – für sich selbst, für den
Trainingspartner, für die Tradition.Gleichzeitig lehrt das Gendai Goshin Kobujutsu die Balance von Härte und Nachsicht. Waffen wie die Sai verkörpern das Prinzip der Kontrolle statt der Zerstörung. Mit ihr lässt sich eine
Waffe blockieren oder einklemmen, ohne den Gegner tödlich zu verletzen. Dieses Denken steht im Einklang mit der Philosophie des Budō: Stärke ist nicht allein die Fähigkeit, zu besiegen, sondern vor allem die Fähigkeit, zu beherrschen und zu bewahren.

Eine weitere philosophische Dimension liegt in der geistigen Erweiterung. Viele Karateka, die mit dem Gendai Goshin Kobujutsu beginnen, berichten, dass sich ihr Verständnis der
Kampfkunst grundlegend verändert. Die Arbeit mit Waffen zwingt sie, über bekannte Muster hinauszugehen. Distanz, Timing, Rhythmus – all das erhält im Umgang mit Bō, Sai oder Tōnfa eine neue Bedeutung. Wer im Karate glaubt, die Techniken verstanden zu haben, erlebt im Kobudō oft ein zweites Erwachen. Plötzlich wird klar, dass jede Bewegung größer, klarer und präziser sein muss, wenn sie eine Waffe führt. Diese Erkenntnis überträgt sich zurück ins Karate und vertieft auch das waffenlose Training.

Im KKD wird das Gendai Goshin Kobujutsu daher auch als Lebensschule verstanden. Es geht nicht nur um die Fähigkeit, sich zu verteidigen, sondern um die Entwicklung des ganzen
Menschen. Geduld, Ausdauer, Konzentration und Selbstkontrolle sind Eigenschaften, die durch das Training wachsen. Die Kata vermitteln innere Ruhe, das Partnertraining lehrt Rücksichtnahme, die Prüfungen fordern Zielstrebigkeit. Schritt für Schritt wächst aus dem
Schüler nicht nur ein Kämpfer, sondern ein Mensch mit Klarheit, Respekt und innerer Stärke.

Philosophisch betrachtet ist das Gendai Goshin Kobujutsu eine Einladung, das Gleichgewicht im Leben zu suchen. Waffen wie die Tōnfa zeigen die Dualität – links und rechts, Angriff und Verteidigung, Yin und Yang. Der Bō lehrt Distanz und Überblick, der Hanbō Flexibilität, die Kama Achtsamkeit, die Sai Kontrolle. Jede Waffe trägt ihre eigene Botschaft, die weit über die Technik hinausgeht. Zusammengenommen formen sie ein Mosaik, das den Übenden lehrt, auch im Alltag Balance, Wachsamkeit und Verantwortungsbewusstsein zu wahren.

Nicht zuletzt lebt das Gendai Goshin Kobujutsu von der Gemeinschaft. Im KKD ist es nicht nur eine Stilart, sondern das Fundament, das alle Mitglieder miteinander verbindet.
Jeder Schüler durchläuft die gleichen Stufen, lernt die gleichen Waffen, erfährt die gleichen Herausforderungen. Dies schafft ein Band, das weit über technische Inhalte hinausgeht. Es ist ein gemeinsamer Weg, eine geteilte Sprache, die Generationen von Karateka und Kobudōka
verbindet.

Einladung zum Mitmachen


Das Gendai Goshin Kobujutsu ist damit nicht nur ein Trainingssystem, sondern eine Erfahrung. Wer diesen Weg beschreitet, erfährt Kampfkunst in ihrer ganzen Breite: die
Wurzeln der Geschichte, die Klarheit der Technik, die Tiefe der Philosophie. Es öffnet Türen für Karateka, die ihr Verständnis erweitern wollen, und für all jene, die einen Zugang zu den
klassischen Waffen suchen.Jede Trainingseinheit ist eine Einladung, Körper und Geist gleichermaßen zu schulen. Die Waffen fordern Präzision und Disziplin, das Partnertraining lehrt Respekt und
Rücksichtnahme, die Kata eröffnen einen Raum für Ruhe und Konzentration. Schritt für Schritt wächst das Verständnis – nicht nur für den Kampf, sondern für das Leben.

Wer also sein Karate vertiefen möchte, wer über den Tellerrand schauen will, wer die Vielfalt des Budō erleben möchte, der findet im Gendai Goshin Kobujutsu einen Weg, der reich, klar und erfüllend ist. Es ist eine Kunst, die zugleich uralt und modern ist, eine Brücke zwischen Geschichte und Gegenwart, eine Schule für Technik und für Haltung.

Nach oben scrollen