Tessen-Jutsu (鉄扇)
Geschichte und Bedeutung des Tessen
Der Tessen, wörtlich „Eisenfächer“, ist eine der ungewöhnlichsten und zugleich faszinierendsten Waffen des japanischen Budō. Anders als Stäbe, Sicheln oder Gabelwaffen
entstammt er nicht der Landwirtschaft oder dem Alltag des einfachen Volkes, sondern der höfischen und militärischen Kultur des feudalen Japan. Ursprünglich handelte es sich um Faltfächer, die entweder mit Metall verstärkt oder als reine Metallattrappen gefertigt wurden. Sie waren äußerlich kaum von einem gewöhnlichen Fächer zu unterscheiden, dienten aber im Ernstfall als unauffällige Selbstverteidigungswaffe.
Die Geschichte des Tessen ist eng mit den Samurai und ihrer Rolle in der Gesellschaft verbunden. Samurai trugen im Palast oder bei bestimmten Anlässen keine Schwerter, da dies als unangebracht oder als Bruch der Etikette galt. Dennoch wollten sie nicht unbewaffnet sein. Der Tessen bot ihnen die Möglichkeit, eine Waffe bei sich zu führen, die zugleich den Anschein eines harmlosen Alltagsgegenstandes hatte. Damit vereinte er Funktionalität und Tarnung auf einzigartige Weise.



Historische Quellen berichten, dass der Tessen in politischen Intrigen, in plötzlichen Auseinandersetzungen und sogar auf dem Schlachtfeld eingesetzt wurde. Er war nicht nur ein Hilfsmittel zur Selbstverteidigung, sondern auch ein Symbol für Wachsamkeit und Raffinesse. Während Schwerter und Speere martialische Macht ausstrahlten, verkörperte der Tessen subtile Kontrolle und verdeckte Stärke.
Im Gegensatz zu vielen anderen Kobudō-Waffen war der Tessen nie ein Werkzeug des Bauernstandes, sondern stets eine Waffe der Kriegerklasse. Seine Nutzung erforderte
Geschick, Präzision und eine gute Kenntnis des Nahkampfes. Ein Tessen konnte mit Schlägen eingesetzt werden, um empfindliche Punkte am Körper zu treffen, er konnte Angriffe blocken oder Hebel ansetzen. Seine unauffällige Erscheinung machte ihn besonders effektiv, da der Gegner oft nicht ahnte, dass er es mit einer Waffe zu tun hatte.
Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich der Tessen auch zu einem Symbol in der japanischen Kultur. Er verkörperte die Idee, dass wahre Stärke nicht laut oder offensichtlich sein muss, sondern auch verborgen und kontrolliert wirken kann. Der Fächer, ein Sinnbild für Eleganz und Kultur, wurde so zur Tarnung einer Waffe, die im Ernstfall tödlich sein konnte. Heute hat der Tessen im Kobudō eine besondere Stellung. Er ist eine der wenigen Waffen, die klar aus dem Umfeld der Samurai stammen und nicht aus Werkzeugen des Alltags. Dadurch repräsentiert er eine andere Dimension des Budō: die Kunst, im Verborgenen stark zu sein und mit Einfachheit komplexe Wirkung zu entfalten.
Wolf-Markus Vysek (5. Dan Kobudō, 3. Dan Hanbō) widmet sich dem Tessen, einer unauffälligen, aber sehr wirksamen Waffe. Er zeigt die Möglichkeiten zur Selbstverteidigung mit scheinbar alltäglichen Mitteln.
„Klarheit in der Technik schafft Klarheit im Geist.“
Graduierungen
5. Dan Gendai Goshin Kobu Jutsu
3. Dan Gendai Goshin Hanbo Jutsu (Instructor Gold)
1. Dan in Jiu Jitsu (DJJV/WJJF)
1. Dan Kyusho-Jitsu (KJOG)
1. Dan Shorin Ryu Tesshinkan
1. Dan Shogen Ryu Karate
Training im KKD
Im Kobudo Kwai Deutschland (KKD) wird der Tessen bewusst als Spezialwaffe vermittelt. Anders als Bō, Hanbō oder Kama, die in vielen Systemen verbreitet sind, hat der Tessen eine Sonderstellung. Er dient im Gendai Goshin Kobujutsu nicht nur dazu, alte Traditionen zu bewahren, sondern auch, um den Schülern ein tiefes Verständnis für ahkampftechniken zu geben.
Ein zentraler Aspekt des Trainings ist die Nähe zum Gegner. Während andere Waffen wie Bō oder Hanbō vor allem Distanz schaffen, zwingt der Tessen in den direkten Nahkampf. Das macht ihn zu einer Waffe, die höchste Präzision, Reaktionsfähigkeit und Körperkontrolle erfordert.
Das Prüfungsprogramm ist klar strukturiert und vermittelt die Besonderheiten dieser Waffe:
• Grundhaltungen (Kamae) und Griffwechsel, die sich von herkömmlichen
Fächerbewegungen unterscheiden.
• Schlagtechniken mit der metallverstärkten Kante, die empfindliche Punkte am Körper
treffen.
• Blockbewegungen gegen Stöße oder Schläge, die mit schnellen Reaktionen
kombiniert werden.
• Hebel- und Festlegetechniken, bei denen der Tessen als Druckverstärker eingesetzt
wird.
Ein wichtiger Unterschied zu anderen Waffen ist, dass es keine Kata mit zwei Tessen gibt. Im Training des KKD wird der Fächer stets einzeln geführt, um seine Besonderheit als subtile und taktische Waffe zu betonen.
Das Partnertraining ist besonders intensiv, da die Techniken des Tessen fast ausschließlich im direkten Kontakt wirken. Schüler üben, Angriffe blitzschnell abzuwehren und gleichzeitig Konter anzusetzen. Die Übungen lehren nicht nur Technik, sondern auch Wachsamkeit und Selbstkontrolle, denn der Tessen verzeiht keine Unaufmerksamkeit.
Im KKD wird außerdem darauf geachtet, dass der Tessen nicht als Statussymbol missverstanden wird. Er ist kein modisches Accessoire, sondern eine ernsthafte Waffe mit klarer Funktion. Ob als verstärkter Faltfächer oder als Metallattrappe, er wird immer als Werkzeug der Selbstverteidigung betrachtet.
Sein pädagogischer Wert liegt vor allem darin, dass er die Schüler lehrt, mit minimalen Mitteln maximale Wirkung zu erzielen. Der Tessen zwingt dazu, effizient, präzise und entschlossen zu handeln. Er verkörpert damit eine Essenz des Budō: Stärke liegt nicht in der Größe der Waffe, sondern in der Klarheit des Geistes und der Technik.
Trainingsinhalte Tessen
• Grundhaltungen und sichere Grifftechniken
• Schlagtechniken mit dem verstärkten Fächerkörper
• Blocktechniken gegen Stöße und Schläge
• Griffwechsel zur schnellen Anpassung im Nahkampf
• Einsatz von Hebeln und Druckpunkten
• Arbeit auf engstem Raum und Nahdistanz
• Partnerübungen mit kontrollierten Schlägen und Blöcken
• Szenarien für unauffällige Selbstverteidigung
• Kata und historische Bewegungen mit Schwerpunkt Nahkampf
• Training mit einem einzelnen Tessen (keine Doppelwaffe)
Warum Tessen-Training wichtig ist
Das Tessen-Training vermittelt eine ganz eigene Form der Selbstverteidigung. Es zeigt, dass
man nicht auf große Waffen angewiesen ist, sondern auch mit unscheinbaren Gegenständen
effektive Abwehrtechniken entwickeln kann. Es schult Kreativität, Anpassungsfähigkeit und
die Fähigkeit, auf engem Raum präzise zu handeln.
• Schult Techniken für unauffällige Selbstverteidigung
• Fördert Präzision im Nahkampf
• Entwickelt Achtsamkeit und Improvisationsfähigkeit
• Erhöht die Kontrolle in engen Distanzen
• Stärkt Handgelenke und Unterarme
• Vermittelt die Verbindung zwischen Alltag und Kampfkunst
• Fördert die geistige Haltung, aus wenigem viel zu machen
Drei Fakten Tessen
1.
Kein Statussymbol, sondern Faltfächer mit Metallverstärkung oder Metallattrappe
2.
Schwerpunkt liegt im Nahkampf, keine Kata mit zwei Tessen überliefert
3.
Diente Samurai als unauffällige Selbstverteidigungswaffe in waffenfreien Situationen