Reisebericht Okinawa 2025

Im Vorfeld der Reise gab es dieses Mal viel Aufruhr. Die Krankheit und der Tod unserer geschätzten Meister Kiyomasa Maeda und Rainer Seibert stellten die gesamte Organisation in Frage. Rainer, der unsere Okinawa-Reisen jahrelang organisiert hatte, konnte seine geplante Japanreise nicht mehr antreten. Am Ende waren wir sieben, die sich auf den Weg machten. Die große Frage blieb: Würden wir einen neuen Sensei finden?

Ein Besuch bei Maeda Sensei war nicht mehr möglich. Er ist inzwischen an Alzheimer erkrankt und erkennt seine eigenen Schüler nicht mehr. Damit war auch das Training im Honbu Dōjō in den Stilrichtungen Shōgen-ryū und Yamane-ryū ausgeschlossen. Wir entschieden uns für Plan B.

In Naha suchten wir nach Alternativen, Naha ist die größte Stadt und zugleich Verwaltungssitz der Präfektur Okinawa. Die Stadt gilt als eine der wichtigsten Wiegen des traditionellen Okinawa-Karate und Kobudō. Historisch ist hier der Karatestil Naha-te entstanden, ein kraftvoller, standfester Stil mit engen Techniken und kontrollierter Atmung, der später maßgeblich das moderne Gōjū-ryū prägte. Neben Naha-te entwickelten sich auf Okinawa auch Shuri-te und Tomari-te, aus denen unter anderem Shōrin-ryū hervorging, ein leichterer, schnellerer Stil, der wiederum großen Einfluss auf die Entstehung des japanischen Shotokan hatte. Viele bedeutende Karate- und Kobudō-Meister stammen aus Naha oder haben hier trainiert. Noch heute finden sich in der Stadt historische Trainingsstätten, Gedenkorte und Museen, die die Entwicklung dieser Kampfkünste dokumentieren.

Unsere Suche nach einer Trainingsmöglichkeit begann unmittelbar nach der Ankunft. Wir gingen in den Budōkan, sprachen mit Trainern, informierten uns über aktuelle Kurse und versuchten, Zugang zu passenden Gruppen zu finden. Auch im Karate Kaikan suchten wir das Gespräch mit Verantwortlichen, schilderten unsere Situation und fragten gezielt nach Meistern, die uns kurzfristig aufnehmen könnten. Es war ein Abtasten, von kurzen, unverbindlichen Gesprächen bis hin zu ernsthaften Terminzusagen.

Am Ende ergab sich eine besondere Gelegenheit: Zum ersten Mal konnte eine Gruppe des KKD in eigener Regie unter Karsten Matzdorf im Budōkan und im Karate Kaikan trainieren. Dieses eigenständige Training war für uns nicht nur eine praktische Lösung, sondern auch ein starkes Zeichen für die Selbstständigkeit und Kompetenz innerhalb des Verbandes. Unser Training erregte Aufmerksamkeit und wurde mit Anerkennung aufgenommen.

Wir nahmen uns zudem Zeit, unseren viel zu früh verstorbenen Rainer Seibert im Budōkan zu ehren. Im Karate Kaikan brachten wir seine Plakette am „Karate Family Tree“ an. Außerdem übergaben wir den Meistern Tamayose und Oshiro ein Gedenkbuch mit Erinnerungen an Rainer, ein Zeichen unserer Dankbarkeit und Verbundenheit, das dort mit großem Respekt entgegengenommen wurde.

Vorab hatte unsere Übersetzerin Yuko den Kontakt zu einem Sensei hergestellt. Er war jedoch nur bereit, ein oder zwei Personen zu unterrichten, und auch nur, wenn sie sich als würdig erwiesen. Matze und Marcus saßen deshalb über zwei Stunden vor dem Meister und beantworteten seine Fragen. Ohne Yuko wäre es nicht gegangen, denn Englischkenntnisse sind in Japan selten. Nachdem wir unsere Kampfsport-Historien geschildert hatten, schien er zufrieden zu sein.

Anschließend zeigte er uns sein Können. Wir sahen je eine Kata aus dem Karate sowie mit Sai und Bō. Die Schnelligkeit und Präzision des über siebzigjährigen Meisters waren beeindruckend. Leider unterrichtete er die Sai nicht. Marcus’ Plan, Sai und Kama zu lernen, ließ sich dort nicht umsetzen. Matze hingegen konnte sich auf intensive Abende im Bō und Karate freuen.

Nach dem Training durfte er das Dojo putzen und wurde anschließend von der Frau des Meisters bekocht. Die Gespräche verliefen ganz ohne gemeinsame Sprache, nur mit Hand, Fuß und Gesten.

Am nächsten Vormittag trainierten wir gemeinsam in einem der beiden großen öffentlichen Dojos. Hauptsächlich stand Hanbō auf dem Programm. Mehrere Trainingsgruppen waren gleichzeitig aktiv. Als Sensei Hidetada Ishiki, 8. Dan Kobudō, einen Europäer unterrichtete, wurde Marcus aufmerksam. Er nutzte die Gelegenheit und fragte, ob er in den nächsten Tagen mittrainieren könne. Zu seiner Freude sagte der Sensei zu. Marcus erhielt Unterricht in Kama, Sai, Bō und Sansetsukon.

Ein Vorteil hier: Das Putzen des Dojos war im Eintrittspreis enthalten. Diesen Kontakt wollen wir in Zukunft weiter ausbauen.

Im Training mit Sensei Ishiki kam es zu einer besonderen Situation. Normalerweise unterrichtete er eins zu eins. Eines Tages standen jedoch drei Schüler auf der Matte. Der Sensei wirkte kurz überrascht, bis seine Frau sich an eine Online-Buchung erinnerte. Kurz darauf kam einer seiner Schüler, um den zusätzlichen Teilnehmer zu übernehmen, ruhig und gelassen.

Besonders in Marcus’ Unterricht zeigte sich der Unterschied zum heimischen Training. Deutlich mehr Wiederholungen, gepaart mit plötzlichen Tempowechseln, mit denen der Sensei gezielt die Aufmerksamkeit prüfte. Diese Form des intensiven Eins-zu-Eins-Trainings war für ihn neu und prägend.

Wir besuchten außerdem zwei weitere Meister. Marcus trainierte mehrere Tage bei Sensei Ishiki. Karsten hatte die besondere Ehre, mehrere Tage mit Meister Ikehara in dessen privatem Dojo am Fuße der Burg Shuri Yamane-ryū zu trainieren. Dort lernte er auch die Kranich-Kata Manjiru, eine weiche, fließende Form, die an Tai Chi erinnert.

Auch kulturell war die Reise reich an Eindrücken. Wir besuchten besondere Lokale, das Expo-Gelände mit Aquarium, hielten inne am Karate Birthplace, erkundeten die Burg Shuri und genossen regionale Küche in all ihren Nuancen.

In der zweiten Woche ging es auf die Inseln Tokashiki, Kerama und Aka. Wir schwammen, schnorchelten, machten Bootstouren, und wer wollte, nahm freiwillig an Strandtrainings teil. Überraschend war, dass viele Japaner nicht schwimmen können. Deshalb gab es streng begrenzte Badezonen mit maximal 1,5 Metern Tiefe.

Die letzten beiden Tage verbrachten wir in Naha. Wir bummelten, kauften ein und ließen die Reise bei gutem Essen ausklingen.

Der emotionalste Moment der Reise war das Anbringen der Plakette für Rainer Seibert am „Karate Family Tree“ im Karate Kaikan. Ebenso bewegend war die Übergabe des Gedenkbuchs an Tamayose und Oshiro, die in stiller Würde dieses Andenken entgegennahmen. Es war ein Augenblick, der uns allen zeigte, dass Rainers Geist auch in Okinawa weiterlebt.

Diese Reise hat uns gezeigt: Wir gehen unseren Weg weiter, auch ohne Rainer, der uns nicht mehr in Wort und Tat antreiben kann. Unsere Art des Budō werden wir fortsetzen, und auch in Zukunft Reisen nach Okinawa planen und durchführen.

Am Ende waren wir uns einig: Trotz aller Widrigkeiten im Vorfeld war die Reise ein voller Erfolg. Der KKD kann auch um die Welt.

Für 2026 gilt: Offen an die Dinge herangehen, sich überraschen lassen und das Erlebte aufnehmen. Alles andere, vom Lesestoff bis zur Zahnbürste, lässt sich vor Ort regeln.

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