Sai-Jutsu (釵)
Geschichte und Bedeutung der Sai
Die Sai gehören zu den markantesten Waffen des Okinawa-Kobudō. Mit ihrer metallischen Gabel-Form wirken sie auf den ersten Blick exotisch, doch sie haben eine lange und vielseitige Geschichte. Die Sai bestehen aus einem mittleren, spitzen Schaft und zwei seitlichen Zinken (Yoku), die seitlich abstehen. Diese charakteristische Form erlaubt es, gegnerische Waffen zu blockieren, einzufangen oder abzulenken.
Über den genauen Ursprung der Sai streiten sich Historiker. Manche sehen sie als Weiterentwicklung landwirtschaftlicher Werkzeuge, die zum Pflanzen von Saatgut genutzt wurden. Andere betonen ihre Nähe zu Polizeiwaffen des asiatischen Festlands. Besonders auffällig ist die Verwandtschaft mit dem japanischen Jitte, das ebenfalls einen seitlichen Haken besitzt, allerdings nur auf einer Seite. Während der Jitte von Polizisten des feudalen Japans verwendet wurde, um Klingen zu blockieren oder zu kontrollieren, wurde die Sai auf Okinawa als Doppelwaffe weiterentwickelt.



Die Sai sind in Okinawa vor allem mit den Beamten des Königreichs Ryūkyū verbunden, die als Ordnungskräfte tätig waren. Sie nutzten die Waffe, um Schwertträger zu entwaffnen, ohne tödliche Gewalt anwenden zu müssen. Dadurch war die Sai zugleich ein Instrument der Macht und ein Symbol für Kontrolle. Mit ihr konnte man Angriffe stoppen, Schwerter einklemmen und Angreifer fesseln.
Im Kobudō wird die Sai fast immer als Doppelwaffe geführt, das heißt, ein Kämpfer hat je eine Sai in jeder Hand. In manchen Traditionen wird zusätzlich eine dritte Sai im Gürtel getragen, die im Notfall eingesetzt oder geworfen werden konnte. Diese Dreifachführung findet sich auch in historischen Berichten aus Okinawa.
Charakteristisch für die Sai ist ihr Gewicht. Sie bestehen traditionell aus Eisen und sind dadurch schwerer als die meisten anderen Kobudō-Waffen. Ihre Kraft liegt daher nicht in der Schnelligkeit, sondern in der Stabilität. Mit Sai lassen sich kräftige Schläge führen, die durch das Metall enorme Durchschlagskraft entfalten. Gleichzeitig können die seitlichen Zinken gegnerische Stöcke oder Klingen aufnehmen und fixieren.
Die Sai haben auch eine symbolische Dimension. Sie verkörpern den Gedanken, dass Stärke nicht in der Tödlichkeit einer Waffe liegen muss, sondern in der Kontrolle. Ein Kämpfer mit Sai kann den Gegner stoppen, ohne ihn tödlich zu verletzen. Dieses Prinzip passt gut zur Philosophie des Budō, in dem Verteidigung, Zurückhaltung und Selbstbeherrschung eine zentrale Rolle spielen.
Im modernen Kobudō haben die Sai einen festen Platz. Ihre markante Form macht sie zu einer beliebten Waffe in Vorführungen, doch ihre Anwendung ist alles andere als Show. WerSai trainiert, erlernt präzises Blocken, kräftige Schläge und die Kunst, zwei Werkzeuge gleichzeitig zu beherrschen. Damit gehört sie zu den anspruchsvollsten und zugleich faszinierendsten Waffen des Gendai Goshin Kobujutsu.
Als Referent für die Sai vermittelt Klaus Oblinger Präzision, Kontrolle und die komplexen Anwendungen dieser besonderen Waffe.
„Kobudō ist mehr als Technik – es ist die Schule der Haltung.“
Graduierungen
6. Dan Gendai Goshin Kobu Jutsu
5. Dan Karate SOK
4. Dan Shotokan-Ryu
3. Dan Gendai Goshin Hanbo Jutsu
3. Dan Gendai Goshin Sai Jutsu
3. Dan Shogen-Ryu
3. Dan Ryukyu Shorin-Ryu
2. Dan Ryukyu Kobudo Tesshinkan
Instructor Kobu Jutsu Gold
Instructor Sai Jutsu Gold
Instructor Hanbo Jutsu Silber
Training im KKD
Im Kobudo Kwai Deutschland (KKD) wird die Sai als klassische Doppelwaffe gelehrt. Das bedeutet, dass Schüler von Anfang an lernen müssen, beide Hände gleichzeitig, aber in unterschiedlichen Bewegungsmustern zu führen. Während eine Sai blockt, führt die andere einen Konter aus. Während eine Sai den Gegner bindet, setzt die andere zum Schlag an.
Diese Form des Trainings ist koordinativ anspruchsvoll und erfordert viel Aufmerksamkeit. Das Prüfungsprogramm ist klar strukturiert. Bereits in den unteren Kyū-Stufen lernen die Schüler die Grundhaltungen (Kamae), einfache Schlagbewegungen und erste Blocktechniken. Ein wichtiges Element ist das Einfangen von Angriffen, etwa das Einklemmen eines Bō oder das Festhalten einer gegnerischen Waffe zwischen den Yoku. Diese Fähigkeit ist einzigartig und vermittelt den Schülern das Prinzip der Kontrolle über die Waffe des Gegners.
Im Verlauf der Prüfungsordnung steigert sich die Schwierigkeit:
• Sai Shodan lehrt Grundschläge, Blocks und einfache Partnerübungen.
• Sai Nidan führt Rotationen und komplexere Abwehrtechniken ein.
• Sai Sandan erweitert das Spektrum um Kata mit dynamischen Wechseln und schnellen Kontern.
• Höhere Formen wie Chatanyara no Sai oder Hamahiga no Sai verbinden Tradition mit hoher technischer Präzision.
Ein großer Schwerpunkt liegt auf dem dualen Arbeiten. Anders als bei Waffen wie dem Hanbō oder Bō, die überwiegend linear und mit beiden Händen gemeinsam geführt werden, verlangt die Sai, dass beide Hände unabhängig, aber koordiniert agieren. Diese Anforderung macht das Training besonders wertvoll, da es nicht nur die Technik, sondern auch die geistige Flexibilität und Konzentrationsfähigkeit schult.
Im Partnertraining wird die Sai besonders lebendig. Schüler lernen, gegnerische Stöcke oder Schläge mit den Yoku abzufangen, zu blockieren und sofort in einen Gegenangriff überzugehen. Auch Wurftechniken und Hebel sind möglich, wenn die Sai geschickt eingesetzt werden. Durch ihr Gewicht erfordert die Sai jedoch eine hohe Präzision und ein gutes Körpergefühl, um Bewegungen sauber und kontrolliert auszuführen.
Im KKD wird die Sai auch als Werkzeug zur Charakterbildung verstanden. Sie fordert Ruhe, Geduld und Disziplin, da Fehler sofort sichtbar werden und das Gleichgewicht gestört wird, wenn die beiden Waffen nicht harmonisch geführt werden. Gleichzeitig vermittelt sie das wichtige Prinzip der Selbstbeherrschung: Die Fähigkeit, den Gegner zu kontrollieren, ohne ihn zerstören zu müssen.
Die Sai sind somit im KKD weit mehr als eine exotische Waffe. Sie sind ein anspruchsvolles Lehrmittel für Koordination, Technik und Selbstdisziplin. Wer sie trainiert, entwickelt ein tiefes Verständnis für die Balance zwischen Angriff und Verteidigung, zwischen Kraft und Kontrolle.
Trainingsinhalte Sai
• Grundhaltungen und Grifftechniken
• Blocken und Einklemmen von Stöcken oder Klingen
• Stich- und Stoßtechniken mit der Mittelspitze
• Schlagtechniken mit Schaft und Seitenarmen
• Paariges Arbeiten (rechte und linke Hand mit unterschiedlichen Mustern)
• Training mit drei Sai (zwei in den Händen, eine im Gürtel)
• Kombination von Angriff, Block und Hebeltechniken
• Partnerübungen zur Entwaffnung und Kontrolle
• Kata mit historischen Anwendungen
• Übungen für Wurf und sofortiges Nachziehen
Warum Sai-Training wichtig ist
Das Sai-Training fördert Präzision, Kraft und Reaktionsfähigkeit. Die Doppelwaffe zwingt zu komplexem Arbeiten beider Hände, während die dritte Sai den Umgang mit dynamischen Situationen wie Wurf oder Verlust übt. Sie ist eine ideale Schule, um sowohl Technik als auch mentale Präsenz zu entwickeln.
• Schult beidhändiges und duales Arbeiten
• Fördert präzises Blocken und Entwaffnen
• Stärkt Handgelenke und Unterarme
• Vermittelt Kontrolle statt bloßer Schlagkraft
• Erhöht Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
• Trainiert das schnelle Umschalten von Angriff auf Verteidigung
• Vertieft das Verständnis für Timing und Distanz
Drei Fakten Sai
1.
Traditionell Doppelwaffe, ergänzt durch eine dritte Sai im Gürtel
2.
Eng verwandt mit dem Jitte (japanische Polizei-Waffe, nur ein Yoku)
3.
Von Beginn an als Waffe entwickelt, nicht als Werkzeug